Mittel- und Südamerika - Bevölkerung

Amerika - Mittel- und Südamerika - Staaten
978-3-14-100800-5 | Seite 228 | Abb. 4| Maßstab 1 : 72000000

Überblick

Der Anteil der Bevölkerung Lateinamerikas an der Weltbevölkerung wuchs in den vergangenen Jahrzehnten stark an. Er erhöhte sich von 3,8 Prozent im Jahre 1900 auf 8,5 Prozent im Jahre 2014; vermutlich werden es 2050 etwa 7,9 Prozent sein. In den Jahren zwischen 2014 und 2050 wird die Bevölkerung Lateinamerikas voraussichtlich um 155 Mio. Menschen zunehmen. Die jährliche Wachstumsrate lag 2014 bei durchschnittlich 1,2 Prozent, dies entspricht dem Weltdurchschnitt und ist deutlich weniger als die Wachstumsrate Afrikas (2,5 Prozent), aber geringfügig mehr als die Asiens (1,1 Prozent). Rund ein Drittel der Bevölkerung Lateinamerikas lebt in Brasilien, dem hinsichtlich seiner Einwohnerzahl fünftgrößten Land der Welt.

Die demographische Entwicklung ist abhängig von den Geburten- und Sterberaten, der Kindersterblichkeit und der durchschnittlichen Lebenserwartung. Vielerorts in Lateinamerika folgt die Bevölkerungsentwicklung dem Modell des demographischen Übergangs. Die Lebenserwartung ist höher als in weiten Teilen Afrikas und Südasiens, sie entspricht heute der in den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten (s. 275.3). Die Geburtenraten sind in den letzten Jahrzehnten gesunken, ebenso das natürliche Bevölkerungswachstum. Innerhalb Lateinamerikas zeigt sich allerdings, dass die Entwicklung der Länder unterschiedlich weit fortgeschritten ist. Während beispielsweise Argentinien, Uruguay und Kuba niedrige, im kontinentalen Vergleich unterdurchschnittliche Wachstumsraten aufweisen, wächst die Bevölkerung in Ländern wie Guatemala (+2,6 %/Jahr) noch relativ stark.

Stärker als die Bevölkerung insgesamt wächst der Anteil der Stadtbevölkerung; im Jahr 2014 lag er bei 78 Prozent. In zahlreichen Staaten Lateinamerikas lebt ein großer Teil der Bevölkerung in sogenannten Primatstädten. Beispiele sind Lima (Peru), Buenos Aires (Argentinien) oder Montevideo (Uruguay). Primatstädte sind Großstädte, meist auch Hauptstädte ihres Landes, die eine überdurchschnittliche Wirtschaftskraft, Bevölkerungsentwicklung und Ausstattung mit Bildungs- und Dienstleistungseinrichtungen aufweisen und die Konzentrationspunkte des politischen und kulturellen Lebens des Landes sind. Ihre Position wird innerhalb der jeweiligen Städtehierarchie von keiner anderen Stadt des Landes auch nur annähernd erreicht.

Die Tendenz zur Verstädterung setzte in Lateinamerika erst zwischen Mitte der 1930er-Jahre und dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein und ist stärker ausgeprägt als in Asien und Afrika. Sie unterscheidet sich auch in den einzelnen lateinamerikanischen Staaten. Zu den wichtigsten Gegenmaßnahmen der betroffenen Regierungen zählen die Entwicklung der Landwirtschaft durch Landreform und Dorferschließung, die gezielte Industrialisierung der Provinz zur Schaffung von Arbeitsplätzen und der Ausbau der Klein- und Mittelstädte.

Viele Agglomerationen in Lateinamerika wachsen sehr rasch. Dies stellt die Gesellschaft vor große Aufgaben hinsichtlich der Stadtentwicklung, des Infrastrukturausbaus (Verkehr, Wasserversorgung, Bildungseinrichtungen) und der Schaffung von Erwerbsmöglichkeiten. Segregationsprozesse sind eine weit verbreitete Erscheinung (s. 223.5, 229.6, 236.3).

Prägend für die Bevölkerungsverteilung ist die Bevorzugung von Küstensäumen, günstigen Hochgebirgslagen – etwa den Hochtälern von Mexiko und Bogota – und verkehrsgünstig gelegenen Räumen, beispielsweise entlang des Amazonas und seiner Nebenflüsse. Des Weiteren zeigen sich höhere Bevölkerungsdichten in agrarischen Gunsträumen wie dem Norden Argentiniens.

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