Industrieraum Halle-Leipzig - 2015

Deutschland - Wirtschaftsraum Halle-Leipzig - Transformation
978-3-14-100800-5 | Seite 43 | Abb. 2| Maßstab 1 : 500000

Überblick

Aufgrund der sehr guten Böden wird die Region landwirtschaftlich intensiv genutzt, wobei die Agrarbetriebe starken Nutzungskonkurrenzen ausgesetzt sind. Halle und Leipzig sind die großstädtischen Zentren eines traditionsreichen Industrieraumes, der sich auf der Grundlage der Salz- und Braunkohlenförderung, der Veredelung von Braunkohle und der chemischen Industrie entwickelte. Letztere ist an Verbundstandorten wie Leuna, Schkopau und Bitterfeld-Wolfen bis heute strukturprägend. Der Bergbau und die Braunkohlenverarbeitung haben dagegen an Bedeutung verloren. Zahlreiche aufgelassene Tagebaue wurden bzw. werden rekultiviert. Damit entwickelt sich die Region zu einem „Seenland“ mit neuen Perspektiven im Tourismus. Leipzig hat als Verkehrsknotenpunkt, traditioneller Messe- und bedeutender Kultur- sowie Universitätsstandort einen sehr vielfältigen Dienstleistungssektor. Dennoch steht die Stadt, wenn auch nicht so stark wie Halle (-Neustadt), seit der Wende vor städtebaulichen Herausforderungen. Der Umbau von Großwohnsiedlungen (s.43.4) und die Revitalisierung der Innenstadtbereiche (s. 43.6) sind dabei wichtige Strategien.

Zur wirtschaftliche Entwicklung

Der Grund für die bedeutende, phasenweise dominierende Stellung des Industrieraums Halle-Leipzig bis 1990 war ein eng verflochtener Wirtschaftskomplex aus Braunkohlenbergbau, Stromerzeugung, Chemieindustrie und Maschinen- und Schienenfahrzeugbau in Verbindung mit ausgewählten Dienstleistungen.

Braunkohle war der mit Abstand wichtigste Energieträger der rohstoffarmen DDR, zugleich war sie ein wichtiger Rohstoff der chemischen Großindustrie in Leuna, Buna, Bitterfeld oder Wolfen. Der Kartenausschnitt erfasst den gesamten Raum der ehemaligen Braunkohlenlagerstätten im Raum Halle – Leipzig – Bitterfeld, der 1989 mit rund 35 Prozent an der Gesamtfördermenge der DDR beteiligt war, dann aber einen rapiden Niedergang erlebte.

Das Zentrum der mitteldeutschen Braunkohlenförderung um 1960 war das Revier Borna-Böhlen südlich von Leipzig. Die Pleiße, die dieses Revier durchzieht, musste aufgrund der Tagebauerschließungen mehrfach verlegt werden. Im Borna-Böhlener Revier entstand eine vielseitige Kohleveredelungsindustrie (Brikettfabriken, Schwelereien und Teerverarbeitungsbetriebe). Diese Industrien sind heute weitgehend stillgelegt. Durch die Fremdflutung des Tagebaurestloches Zwenkau nordwestlich von Böhlen entstand zwischen 2007 und 2014 der größte der insgesamt sieben Bergbaufolgeseen südlich von Leipzig. Als „Leipziger Neuseenland“ ist das Gebiet heute ein touristischer Schwerpunkt.

Das Bitterfelder Revier war das älteste Revier Mitteldeutschlands. Durch einen fast 140-jährigen Braunkohlenabbau entstand hier eine vom Tagebau geprägte Landschaft voller Restlöcher und Abraumhalden, die eine Ausdehnung von fast 70 Quadratkilometern hat. Der Muldestausee, ehemals der Tagebau Muldenstein, ist heute ein Naherholungsgebiet. Ab 1999 wurden weitere Restlöcher geflutet (Gräfenhainichen; Goitzsche). Bei Gräfenhainichen wurde 1995 das Industriemuseum „Ferropolis“ eröffnet, das seit 2005 Teil der „Europäischen Route der Industriekultur“ ist. In der Folgenutzung der ehemaligen Tagebaue zeigen sich hier deutliche Parallelen zum Revier Borna-Böhlen und zum Geiseltal (s. 42.3). Diese Entwicklung trägt wesentlich zu Attraktivität der Region im Freizeitbereich bei.

Die bitumenreiche Braunkohle im Tagebau Amsdorf wird gegenwärtig noch abgebaut und vor Ort zu Montanwachs verarbeitet.

Im Ballungsraum Halle-Leipzig, der auch das Gebiet Bitterfeld-Wolfen umfasst, dominierte um 1960 die chemische Industrie. In den Randbereichen wurde sie durch weitere Werke in Piesteritz (Düngemittel) und Coswig (Schwefelsäurefabrik) ergänzt. Auch der traditionelle Maschinenbau – mit den Hauptstandorten Halle, Leipzig, Dessau, Wittenberg– und die Nahrungsmittelindustrie prägten das Industrieprofil.

Der gesamte Ballungsraum befand sich nach 1990 in einem tief greifenden Umstrukturierungsprozess. Der wirtschaftliche Niedergang der altindustrialisierten Städte Halle und Leipzig war so ausgeprägt, dass er durch die Ansiedlung zahlreicher Forschungs-, Verwaltungs- und Kultureinrichtungen sowie durch staatlich geförderte Investitionen in die chemische Industrie sowie in den Flughafen Leipzig-Halle nicht vollständig kompensiert werden konnte. Erschwerend wirkte, dass beide Städte 1990 administrative Funktionen an die Landeshauptstädte Dresden und Magdeburg verloren.

Allerdings zeigen viele Entwicklungen der Gegenwart, dass die Transformation gelungen ist. Der Raum kann deutlich positive Trends bei der Wirtschaftsentwicklung verzeichnen. Die Großstandorte der chemischen Industrie in Leuna und Buna haben sich stabilisiert, die Rekultivierung der ehemaligen Tagebaue ist vielerorts abgeschlossen. In Leipzig gelangen eine Reihe von wichtigen Neuansiedlungen im Dienstleistungs- und Industriesektor. Neben der Neuen Messe sind Logistikstandorte am Flughafen und Produktionsstätten der Automobilindustrie Anzeichen eines gelungenen Strukturwandels. Zudem ist die Stadt Verwaltungssitz des gleichnamigen Regierungsbezirks, Sitz des Bundesverwaltungsgerichts und des sächsischen Verfassungsgerichts. Halle ist das Verwaltungszentrum des Saalekreises, Sitz der Nationalstiftung der Bundesrepublik Deutschland für Kunst und Kultur und Standort zahlreicher Bildungs- und Forschungsinstitute. An verkehrsgünstigen Standorten im Umland der beiden Städte, aber auch in der Leipziger Innenstadt sind große Einzelhandelskomplexe entstanden.

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