Detroit - Nutzung und Veränderung einer Downtown

Amerika - Nordoststaaten der USA - Wirtschaft
978-3-14-100800-5 | Seite 217 | Abb. 3| Maßstab 1 : 25000

Überblick

Die Karte zeigt die Downtown von Detroit, die im Westen durch den John Lodge Freeway (benannt einem Bürgermeister der 1920er-Jahre), im Norden durch den Fisher Freeway (benannt nach einem Karosseriebaubetrieb), im Osten durch den Chrysler Freeway (Name nach dem Automobilhersteller) und im Süden durch den Detroit River als Riverfront begrenzt wird.

Der Grundriss von Detroit

Üblicherweise sind US-amerikanische Städte durch ein schachbrettartiges, orthogonales Straßennetz gekennzeichnet. Dies trifft auf das Straßennetz der Downtown Detroits nicht zu. Die Freeways in Detroit werden etwa mittig durch drei Hauptachsen geschnitten, die sich im Herzen der Downtown am Campus Martius treffen: die Michigan Avenue, die Gratiot Avenue und die Woodward Avenue. Letztere, einst die zentrale Einkaufsstraße der Stadt, zieht sich heute als „Hauptarterie“ durch die Downtown. Sie ist benannt nach Augustus B. Woodward, dem ersten Obersten Richter des Michigan Territory. Woodward hat die insgesamt fünf Hauptavenuen geplant, zu denen auch die Grand River Avenue (zwischen Woodward und Michigan Avenue) und die Jefferson Avenue gehören, die von der Downtown Detroit in verschiedene Richtungen durch den Staat Michigan führen.

Als Hauptstadt des Michigan Territory wurde Detroit 1805 von einem verheerenden Brand zerstört. Woodward entwarf einen Plan zum Wiederaufbau der Stadt, der sich in seinen Grundrissen an den Plan von Washington D. C. von 1791 anlehnt. Charakteristisch für diesen Entwurf sind breite Avenuen und Hauptstraßen, die radial von zentralen Plätzen mit markanten Monumentalbauten oder Wahrzeichen ausgehen. Die strahlenförmige Straßenanordnung geht vermutlich auf den Grundriss von Karlsruhe zurück, einen Stadtgrundriss aus der Epoche des Absolutismus. Die Anordnung der Hauptstraßen, die auf einen zentralen Platz zulaufen, betonte dort den Mittelpunkt der irdischen Welt, den Herrschaftssitz des gottgleichen Monarchen. Im Falle Detroits ging es darum, durch ein Symbol die Stadtmitte zu betonen.

Reurbanisierung einer „Geisterstadt“?

Auffällig an der Flächennutzung in der Downtown ist der große Anteil von Arealen, die als Parkplätze genutzt werden oder Freiflächen sind. Zudem finden sich im Zentrum zahlreiche Gebäude, die überwiegend leer stehen. Hierzu zählen auch einige Wolkenkratzer. Der Leerstand in der City betrifft Schätzungen zufolge etwa 4000 Bauwerke, in ganz Detroit sind es 80 000. Ein Drittel der gesamten Stadtfläche liegt brach. Dieser Verfallsprozess („Urban Decay“) hat Detroit den Beinamen einer Geisterstadt eingebracht hat. Detroit gilt heute als typisches Beispiel einer schrumpfenden Stadt.

Detroit war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine prosperierende Stadt, wurde aufgrund ihrer Prachtbauten als „Paris des Mittleren Westens“ bezeichnet und war damit Symbol des amerikanischen Traums. Die gegenwärtige Entwicklung der Stadt zu einem „Ort der Dritten Welt mitten im Westen“, wird als „American Nightmare“ oder „Humiliation of History“ (Jerry Herron) beschrieben. Sinnbild des Verfalls ist das 1926 eröffnete Michigan Theatre: einst ein prunkvolles Kino mit 4035 Sitzplätzen, ist es seit 1977 Parkhaus für die anderen Mieter des Gebäudes.

Schon seit den 1970er-Jahren versucht die Stadt, dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Die Cobo Hall für Ausstellungen und die Cobo Arena für Popkonzerte und Ähnliches wurden 1960 eröffnet.

Das Renaissance Center ist seit seiner Fertigstellung 1976 mit 221 Metern Höhe das höchste Gebäude in Michigan. Es ist gegenwärtig der Hauptsitz von General Motors. Das Unternehmen zählt zu den größten Automobilherstellern der Welt. Der Name des Gebäudes sollte Programm sein und ein ganzer Stadtteil mithilfe eines prestigeträchtigen Großprojekts revitalisiert werden; dieser Versuch wird als gescheitert angesehen. Die südwestlich des Renaissance Centers gelegenen Areale am Detroit River wurden in den 1970er-Jahren zur Hart Plaza umgestaltet, einer Mischung aus Grünanlagen und asphaltierten Flächen. Der öffentliche Platz wird heute unter anderem für Konzerte, Festivals und Demonstrationen genutzt.

Erfolgreicher als die Reurbanisierungsmaßnahmen der 1970er-Jahre war in den 1990er-Jahren das Projekt „Greektown“, ein historisches Quartier mit niedriggeschossigen Gebäuden im griechischen Stil, das zahlreiche griechische Restaurants und eines der drei Casinos Detroits enthält. Dieser Straßenzug ist eine Insel der Lebendigkeit im Meer der Trostlosigkeit.

Die sonstigen Flächen jüngerer Großprojekte werden vor allem für Einzelhandel und Unterhaltung genutzt oder weisen eine Mischnutzung auf. Beispiele sind die Sportarenen und Casinos. Das Stadion der Detroit Tigers (Baseball) wurde 2000 eingeweiht, zwei Jahre später in unmittelbarer Nachbarschaft das Stadion der Detroit Lions (Football). Das neue MGM Grand Casino wurde 2007 feierlich eröffnet und löste damit das südlich gelegene alte Casino-Gebäude ab. Das Problem derartiger Großprojekte ist, dass sie die Downtown oft nur temporär beleben. Beispielsweise sind an Spieltagen die Parkplätze der Umgebung vorübergehend gefüllt, nach wenigen Stunden ist der Stadtteil aber wieder völlig verlassen.

Die zentrale Revitalisierungsmaßnahme Detroits ist das Projekt Campus Martius. Ende 2004 wurde die erste Phase mit einer saisonal geöffneten Eislaufbahn (an die Eislaufbahn im Rockefeller Center in New York City angelehnt), zwei Unterhaltungsbühnen und öffentlichem Raum mit Skulpturen und beleuchteten Brunnenanlagen abgeschlossen. Dort findet sich auch der Firmenhauptsitz des Softwareunternehmens Compuware. Die Ansiedlung von IT-Dienstleistern deutet eine mögliche Diversifizierung der Wirtschaft an. Die Hoffnung ist, dass große Unternehmen wie Compuware zu Kernen von Unternehmensnetzwerken und Clusterstrukturen werden. Von Maßnahmen wie der Renovierung und Wiedereröffnung (2008) des Book-Cadillac-Hotels am Washington Boulevard und der Errichtung eines Eishockey-Stadions gehen weitere Impulse für eine Revitalisierung der Downtown aus.

Im Jahr 2013 musste die Stadt Detroit trotz harter Einschnitte und Privatisierungen in den Jahren zuvor Konkurs anmelden. Die Schulden der Stadt betrugen zu diesem Zeitpunkt 18 Mrd. US-$. Als Gründe sind insbesondere zu nennen …

• der wirtschaftliche Bedeutungsverlust der Automobilindustrie (s. 217.2),

• der damit verbundene Beschäftigungsrückgang (die Zahl der Arbeitsplätze in der Industrie halbierte sich zwischen 2000 und 2010 von 400 000 auf 200 000) und

• der Wegzug zahlreicher Menschen (Bevölkerungsrückgang von 1,9 Mio. in den 1950er-Jahren auf 689 000 im Jahr 2013) und die Insolvenz von Unternehmen; daraus resultierten jeweils rückläufige Steuereinnahmen.

Als Folge des Konkurses wurden öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Parks und Schwimmbäder geschlossen, die Müllabfuhr, die Wasserwerke und das Elektrizitätsnetz privatisiert und städtische Immobilien verkauft oder verleast.

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