Zentralasien - Wasserhaushalt

Asien - Nord- und Zentralasien - Räume im Wandel
978-3-14-100800-5 | Seite 173 | Abb. 4| Maßstab 1 : 12000000

Überblick

Zentralasien wird von großen naturräumlichen Gegensätzen bestimmt. Im Süden liegen mit Talas-Alatau, Alaikette, Tian Shan und Pamir vergletscherte Hochgebirge mit Höhen von bis zu 7495 Metern Höhe. Darin eingebettet liegen tief eingeschnittene Täler, zum Beispiel das Ferganatal (300 Kilometer lang, 100 Kilometer breit). Auf kurzer Strecke steigen deren Talwände um bis zu 5000 Meter in die Höhe. Nördlich der Gebirgsketten liegen ausgedehnte Wüsten, Halbwüsten und Steppen. Allein die Sand- und Kieswüste Kysylkum entspricht mit rund 200 000 Quadratkilometern rund 56 Prozent der Fläche Deutschlands. Wälder sind selten in Zentralasien, auch in vom Niederschlag her begünstigten Gebirgen dominieren Grasländer.

Zur wirtschaftlichen und politischen Situation in Zentralasien

In Zentralasien leben gegenwärtig etwa 60 Millionen Menschen. Die Siedlungsgebiete konzentrieren sich in den fruchtbaren Agrarräumen entlang der Flüsse. Allein im Ferganatal lebt rund ein Fünftel der gesamten Bevölkerung der Region. Dies zeigt, wie entscheidend der Zugang zur Ressource Wasser in Zentralasien ist; die Landwirtschaft ist in allen Ländern ein wichtiger Wirtschaftszweig. An den Anbau von Baumwolle knüpft die Textilindustrie an, sie hat zahlreiche Standorte in der Region (s. 170/171). Ein anderes wirtschaftliches Standbein der Region bildet die Förderung von Erdgas, vor allem in Turkmenistan und Kasachstan. Insgesamt ist die Wirtschaft aber wenig diversifiziert. Die meisten Staaten haben eine einseitige Exportstruktur (Rohstoffe, Agrarprodukte) und hängen mit ihren Staatseinnahmen von wenigen Produkten und deren Preisentwicklung auf dem Weltmarkt ab.

Die Energierohstoffe, aber auch die Nähe zu Afghanistan und dem Iran machen Zentralasien zum Ziel geopolitischer Interessen. Russland, China und die USA haben in jüngster Zeit versucht, dort ihre Macht einzusetzen, zum Beispiel um Absatzmärkte und Rohstoffquellen zu sichern.

Untereinander sind die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan zwar durch eine lange gemeinsame Geschichte und oft auch durch eine ähnliche Kultur und Sprache verbunden, dennoch sind die zwischenstaatlichen Beziehungen stark unterentwickelt – sowohl in Hinblick auf den wirtschaftlichen Austausch als auch auf die politische Zusammenarbeit, etwa bei der Lösung der gravierenden ökologischen Probleme in der Region (s. 173.5). Vielerorts ist das politische System durch autoritär herrschende Diktatoren, Korruption, schwelende Konflikte und Clanbeziehungen geprägt. Die willkürliche Grenzziehung zu Zeiten der Sowjetunion äußert sich heute zum Beispiel in willkürlich von Staatsgrenzen unterbrochenen Verkehrsverbindungen und in unklaren Grenzverläufen.

Zur Wasserverfügbarkeit und -nutzung

Für die Nutzung der Wasserressourcen der Region sind die Flüsse von besonderer Bedeutung, vor allem Amudarja und Syrdarja mit ihren Neben- und Quellflüssen. Die Verfügbarkeit ist von saisonalen Schwankungen geprägt.

An den Oberläufen der großen Flüsse liegen zum Teil Wasserkraftwerke, die der Energiegewinnung dienen. Entlang der Mittel- und Unterläufe liegt – wo es das Relief und die Böden zulassen – Bewässerungsland. Hauptanbaufrucht ist die Baumwolle, darüber hinaus werden Wein, Reis, Obst und Gemüse angepflanzt.

Die Landwirtschaft ist der größte Wasserverbraucher in Zentralasien (s. Diagramm). Weitere Abnehmer sind die großen Städte und die dort gelegenen Industriebetriebe. Insgesamt liegt der Wasserbedarf derzeit nur knapp unter der verfügbaren Wassermenge (s. Diagramm), sodass kaum Reserven bestehen. Eine Ausweitung der Wassernutzung ist künftig nur durch Einsparungen an anderer Stelle möglich.

Die Flüsse haben ihre größte Wasserführung beim Austritt aus den Gebirgen in die großen besiedelten Täler. Dort entspricht der tatsächliche Abfluss nahezu dem potenziellen Abfluss. Im weiteren Verlauf macht sich die Entnahme von Flusswasser für die Bewässerungslandwirtschaft so stark bemerkbar, dass der Amudarja das ehemalige Becken des Aralsees (s. Karte) praktisch nicht mehr erreicht, lediglich noch mit sehr geringen Mengen zudem schadstoffbelasteten Wassers. Der Syrdarja erreicht den Kleinen Aralsee immerhin noch mit einem Abfluss von fünf Kubikkilometern pro Jahr.

Das Wasser des Amudarja wird vor allem von Usbekistan und Turkmenistan genutzt, in Tadschikistan wird nur ein vergleichsweise kleiner Anteil des Flusswassers für die Bewässerungsgebiete um Dushanbe entnommen. Der Amudarja bildet nach Verlassen Tadschikistans zunächst die Staatsgrenze zwischen Usbekistan und Afghanistan bzw. Turkmenistan und Afghanistan und fließt dann mehrere hundert Kilometer durch Turkmenistan. Auf letzterem Abschnitt werden bereits große Mengen Wasser abgeleitet (mehr als 20 Kubikkilometer pro Jahr), zu etwa gleichen Teilen in den Karakorumkanal und seine Bewässerungsgebiete in Turkmenistan, zum anderen in die Bewässerungsgebiete um Buchara und Samarkand in Usbekistan; aus letzteren Gebieten wird belastetes Entwässerungswasser eingeleitet (s. 141.3, um Bodenversalzung und -versumpfung zu verhindern). Im weiteren Verlauf bildet der Fluss die usbekisch-turkmenische Staatsgrenze, auf diesem Abschnitt wird kein Wasser entnommen. In seinem Unterlauf fließt der Amudarja überwiegend durch Usbekistan, dort werden noch einmal mehr als 20 Kubikkilometer Flusswasser pro Jahr entnommen, um die usbekischen und turkmenischen Agrargebiete bei Nukus zu bewässern; von dort wird wiederum belastetes Entwässerungswasser eingeleitet.

Das Wasser des Syrdarja wird von Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan genutzt. Bereits an der kirgisischen bzw. tadschikischen Grenze liegt die tatsächliche Wasserführung deutlich unter der potenziellen Wasserführung. Im vergleichsweise dicht besiedelten und intensiv genutzten kirgisischen Ferganatal werden 13 Kubikkilometer pro Jahr entnommen. Vergleichbar hoch ist die Wasserentnahme im usbekischen Abschnitt des Syrdarja (Bewässerung der Agrargebiete zwischen dem künstlichen See Aydarko’l und dem Ankhor-Tal mit der Hauptstadt Taschkent) und im kasachischen Abschnitt des Syrdarja (Bewässerungsgebiete beiderseits des Syrdarja), sodass auf die Anlieger Kirgisistan, Usbekistan und Kasachstan je ein Drittel der Wasserentnahme entfällt. Wie auch am Amudarja wird unterhalb der Bewässerungsgebiete belastetes Entwässerungswasser in den Syrdarja eingeleitet. Anders als am Amudarja gibt es am Mittellauf des Syrdarja große Stauwerke zur Bewässerung und Energiegewinnung. Die Situation an beiden Flüssen zeigt, wie nötig ein grenzüberschreitendes Wassermanagement in der Region ist.

Als Folge der Wassernutzung sind in Zentralasien künstliche Seen entstanden (zum Beispiel See Aydarko’l, Sarykamysch-See; s. 173.5), vor allem durch die Ableitung von belastetem Entwässerungswasser aus der Landwirtschaft und unregelmäßig auch bei der Ableitung von Hochwasserspitzen. Ein Teil von ihnen weist hohe Salzgehalte auf, sodass ihr Wasser nicht nutzbar ist.

In den Agrargebieten Zentralasiens sind Bodenversalzung, Winderosion, Auswehungen sowie Sand- und Staubstürme weit verbreitet. Es gibt nur wenige Regionen, die davon nicht in starkem Maße betroffen sind. Der globale und regionale Klimawandel verschärft die Situation. Auslöser der Veränderungen ist aber vielerorts eine unangepasste, nicht nachhaltige Landnutzung. Wegen der vielfältigen Schadenssymptome, der komplexen kausalen Verflechtungen und des gravierenden Ausmaßes der Landschaftsdegradation wird von Syndromen des globalen Wandels gesprochen (Aralsee-Syndrom, Dust-Bowl-Syndrom, Müllkippen-Syndrom), die sich teilweise noch gegenseitig verstärken.

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